Wie seltsam dieses Mädchen aussieht. Sie trägt einen schwarzen Barcelona-Pullover. Hätte sie ihn vor 2 Jahren doch bloß eine Nummer größer gekauft, inzwischen ist er ihr eigentlich zu kurz. Dazu eine blaue Jogginghose - von ihrem Vater. Sie ist ihr viel zu groß, viel zu breit. Man kann ihre Figur darunter kaum mehr erkennen. Lediglich an den Waden, die man sehen kann, weil sie die Hose hochgeschoben hat, ist zu sehen, dass sie nicht dick ist. Und Plüschsocken. In beige, mit weißen Punkten. Stumm steht sie vor dem Spiegel, keine Miene verzieht sie. Still mustert sie ihr Spiegelbild, erkennt sich selbst kaum wieder. Die dunkelbraunen Haare zu einem Zopf zusammengebunden, der Gesichtsausdruck müde. Nicht wirklich müde, eher traurig. Und gleichzeitig leer, vielleicht am einfachsten zu beschreiben als unergründbar. Ihre Augen sind kein Tor zur Seele oder ihre Seele existiert nicht mehr. Man erkennt nichts, keine Gefühlsregung. Und überall die roten Flecken. Alles still. Früher haben sie die Laute der Vögel draußen glücklich gemacht. Das Gurren der Tauben erinnerte sie immer an die unbeschwerten Tage bei ihren Großeltern. Diese Zeit ist längst vorbei. Unbeschwertheit gibt es nicht mehr. Stumm steht sie vor dem Spiegel und kann sich nicht entscheiden. Eigentlich sollte sie sich an den Laptop setzen, ihre Ersatzleistung fertig schreiben. Für sie wäre es besser, wäre sie jetzt nicht alleine. Die viele Einsamkeit setzt ihr zu. Vielleicht sollte sie rausgehen, die ersten Sonnenstrahlen des anfänglichen Frühlings genießen. Vielleicht einfach laufen, bis ihre Knie nachgeben und sich dann ins Gras sinken lassen. Das Handy ausschalten, für die Eltern einen kleinen Zettel hinterlassen. Vielleicht schafft sie es bis in den Wald. Den Wald, in dem sie früher die Sandberge hochgeritten ist. Und dann? Einfach dort sitzen. Stundenlang den Vögeln zuhören und vielleicht im Gras schlafen. Ob sie wohl jemand holen würde? Nach ihr suchen würde? Vielleicht fiele es auch niemandem auf. Wahrscheinlich. Stattdessen sitzt sie wieder im Bett. Draußen hört sie das Leben, aber in ihr drinnen ist alles still. Sie ist allein zuhause, die Eltern mit dem Hund unterwegs. Sie war lange nicht mehr mit ihrem Hund draußen, lange nicht mehr im Wald, um mit ihm zu toben. Das sollte sie eigentlich nachholen, aber ihr fehlt die Kraft. Und statt mit ihren Eltern mitzugehen, sitzt sie alleine in ihrem Bett. Alles ist still, ihr Herz schlägt laut in ihrer Brust. Das einzige Indiz, dass sie noch am Leben ist. Am Überleben, am Existieren. Das Leben rauscht an ihr vorbei, sinnlos verschwendete Zeit. Aber ihr fehlt die Kraft, schlichtweg die Motivation. Es ist ihr zu anstrengend, etwas anderes zu tun, als da zu sitzen. Dabei sollte sie an ihrer Ersatzleistung weiterschreiben. Aber die Wichtigkeit rückt in die Ferne. Alles erscheint so sinnlos, so unnütz. Vielleicht sollte sie einfach laufen. Laufen bis sie nicht mehr kann und niemandem bescheid sagen, wohin sie läuft. Niemand würde sie finden. Will sie überhaupt gefunden werden? Bald sind ihre Eltern wieder da, verpasste Chance. Alles hinter sich zu lassen, erscheint reizvoll. Gereizt von sich selber, motivationslos die Reize betrachtend, sitzt sie alleine in ihrem Bett. Alles ist still und draußen zieht das Leben an ihr vorbei.
Ob sie je wieder richtig daran teilhaben kann?
"Aber ihr fehlt die Kraft."
AntwortenLöschenWortlos.