Ich habe die Ferien hinter mich gebracht, habe nichts von dem erreicht, was ich erreichen wollte und bin trotzdem unglaublich erleichtert darüber, morgen wieder in die Schule zu gehen.
Ich habe dauerhaft Menschen um mich, bin mit etwas Glück also weniger einsam.
Eine Klassenkameradin weiß über meine Gefühlslage und einen kleinen Teil meiner Probleme Bescheid. Irgendwie musste ich es jemandem erzählen. Es tut mir für sie unfassbar leid, weil sie sich nun um mich sorgt, aber ich musste es jemandem erzählen und aus der Klasse ist sie so ziemlich die Einzige zur Zeit, der ich vertraue.
Sie riet mir, mich in professionelle Behandlung zu begeben, ich bräuchte Hilfe. Stimmt, ich bräuchte Hilfe, aber wie könnte ich mich einem wildfremden Menschen gefühlsmäßig weit genug öffnen, wenn ich das schon bei den Menschen meines Vertrauens kaum schaffe? Ich weiß einfach, dass ich die Therapie wieder abbrechen würde, ich habe es ja schon einmal versucht.
Naja wie dem auch sei: Nebst der Erleichterung über das Ende der Ferien, verspüre ich ziemliche Angst.
Die Menschen, auf die ich mich einerseits freue, bereiten mir andererseits Sorge. Ich weiß, dass ich Menschen um mich brauche, aber eben bestimmte. Nicht irgendwelche. Nicht einfach nur Klassenkameraden.
Und vor allem nicht den Neuen in meiner Klasse, der möglicherweise Fragen stellen könnte, wieso ich dauerhaft mit angezogenen Knien im Unterricht sitze, wieso ich kein Sport mitmache, wieso ich phasenweise zu weinen anfange oder wieso ich möglicherweise vor Panik aus dem Unterricht renne. Ich mag keine neuen Menschen. Dadurch entstehen wieder neue Gerüchte, neue Beleidigungen, neue Verhaltensweisen, auf die ich mich einstellen muss.
Ich mache mir vermutlich zu viele Sorgen.
Leider ist in diesem Schuljahr eine Person im neuen 11. Jahrgang, mit der ich nichts zu tun haben möchte. Ich weiß nicht, wieso, aber sie lässt mich mich minderwertig fühlen. Extrem minderwertig. Nutzlos. Ich kann sie einfach nicht ausstehen, obwohl sie mir nie etwas getan hat. Und ich hasse mich selbst dafür, dass ich so empfinde, aber ich fürchte fast, meine Pausen nicht mehr in meiner sonst üblichen Gesellschaft verbringen zu können, weil sie auch da ist. Ich hoffe so, dass sie sich nicht dazusetzt. Bitte nicht.
Werde heute wohl recht früh schlafen gehen. Hatte vor, gegen 21 Uhr im Bett zu liegen und he, vielleicht will ja noch jemand meine "Online-Gesellschaft" ertragen.
Komme mir auch im Chat immer mehr wie eine Nervensäge vor. Ich stelle Fragen, die vollkommen kontextlos sind und erkläre mich im Nachhinein nicht. Sie gehen mir in dem Moment durch den Kopf, scheinen mir vollkommen normal und sobald ich sie gestellt habe, komme ich mir so unsagbar dämlich vor, weil mein Gegenüber meine Gedanken natürlich nicht lesen kann und deswegen nicht weiß, wie ich auf diese Frage kam. Ich habe allerdings auch keine Lust, jegliche Gedankengänge zu erklären, weswegen die Ursache für die Frage meist ungeklärt bleiben (für mein Gegenüber halt).
Wertlos.
Das beschreibt zunehmend meine Reflexion meiner Selbst.
Ich kann für niemanden mehr da sein, bin nicht in der Lage, jemanden aufzumuntern und lasse mir nicht helfen.
Dämlich.
Nervend.
Ich will das einfache Leben zurück. Hatte überlegt, mich voll und ganz in die Schule reinzuhängen, aber ich habe gesagt, dass ich meine psychischen Probleme im 12. Jahrgang nicht einfach verdränge, sondern mich ihnen stelle, auch wenn das heißt, dass ich 12 möglicherweise wiederholen muss.
Man wird es sehen. Wie ich mich kenne, greife ich doch auf die altbewährte Verdrängungstaktik zurück und breche in den nächsten Ferien wieder zusammen. Aber wie gesagt: Man wird sehen.
Mein Ex hat sich gemeldet, meinte, dass es schon krass sei, dass unsere Beziehung vor über einem Jahr ihren Anfang hatte.
Ja, das ist krass. Das Jahr ist so schnell umgegangen und ich habe mich einfach extrem verändert, ohne, dass wirklich etwas passiert ist.
Ich habe versucht, ihn abzublocken, ihn aus meinem Leben rauszuhalten und war fast so weit.
BAM
Eine Nachricht und ich bin wieder in der Vergangenheit gefangen. Die Luft zum Atmen bleibt mir phasenweise schlichtweg vorenthalten, ich scheine einfach zu ersticken und vielleicht müsste ich nur lang genug die Luft anhalten, um das alles zu beenden, aber ich mache es nicht.
Irgendetwas hält mich gottverdammtnochmal auf dieser Erde und deswegen ertrage ich weiterhin die Erinnerungen.
Die Erinnerungen an meine Zusammenbrüche, an den letzten Kuss von ihm oder wie ich alleine im Bett lag, in diesem Zimmer, das mir bis dahin so viel Geborgenheit schenkte. An die vielen Filme, Videos und was weiß ich, was ich mir nicht alles mit geliebten Menschen angeschaut habe. An die Vertrautheit, die morgens auf einmal nicht mehr da war oder an das Vermissen, ohne etwas dagegen tun zu können. Ich will vor meinem inneren Auge nicht mehr sehen, wie sie sagten, dass sie eine Andere lieben, ich will verdammt nochmal nicht immer die zweite Wahl sein.
Aber vielleicht bin ich einfach nicht gut genug.
Wieder einmal fließen die Tränen und wieder einmal sieht es keiner, denn ich bin allein.
Ich will nicht mehr, mir fehlt einfach die Kraft.
Aber ich muss.
Und deswegen werde ich mir gleich schnell die Tränen aus dem Gesicht wischen, mich umziehen und wach in meinem Bett liegen, während ich mich mit dem Gedanken ans Tanzen und dem Lied "Tender heart" verusche, zur Ruhe zu bringen. Nach ungefähr dem 10. Durchlauf des Liedes werde ich die Kopfhörer rausnehmen, mich auf die Seite rollen und dem tanzenden Lichtauf dem Boden zusehen, das durch mein Fenster fällt. Irgendwann falle ich in einen - mit etwas Glück traumlosen - komatösen Schlaf.
Ich werde in alltäglicher Lethargie aufstehen, mich vermutlich viel zu doll schminken und mit Herzrasen zur Schule fahren, das Gerede meines Bruders kaum wahrnehmend. Und sobald ich da bin, ist alles wie immer. Ich werde mein Lächeln höchstwahrscheinlich wieder aufsetzen, um die Sorge der Mitschülerin zu beruhigen, werde wieder für alle stark sein, um nach der Schule aufs Neue zusammenzubrechen.
Ich hasse dieses Leben.
Und ich hasse mich selbst dafür, dass ich es nicht ändere.
Damit eine gute Nacht,
Eure vv